Da mein letzter Eintrag zum Thema Game Theory einen so unglaublichen Erfolg genoss, und wegen dem tiefen Einblick in die Seele des unendlich rationalen Paares, beschloss ich mich zu diesem offenen, deutschen Liebesbrief an den Mann meiner Träume. (Je t'aime, chéri!)
Geliebter Marc,Ich weiss, ihr hofft jetzt alle, die Migrosklubschule biete bald GameTheory-Kurse an, damit ihr alle eure bessere Hälfte hinschicken könnt und nachher auch solche Briefe bekommt. :)
Ich sitze in der Vorlesung und denke an dich. Das ist soweit noch nichts Aussergewöhnliches, aber die neuen Ansätze zur Konfliktlösung eröffnen mir völlig neue Horizonte. Als simultanes Spiel mit inkompletter Information haben wir heute den Kampf der Geschlechter analysiert, und ich kann es kaum erwarten, diese bahnbrechenden Entdeckungen mit dir zu teilen.
Natürlich haben wir diesen 'Battle of the Sexes' schon früher mal betrachtet, es ist ja nicht umsonst eines der berühmtesten Zwei-Spieler Partien. Die Ausgangslage ist simpel: Wir wollen gemeinsam in den Ausgang, nur würde ich lieber ein Ballett bewundern, und dich zieht es zu einem Boxkampf. Doch auch du hast keine Lust, alleine dort aufzukreuzen, und wir können deshalb unseren persönlichen Nutzen formal aufschreiben,wobei deine Entscheidung in Kolonnen und meine in Zeilen notiert werden. Die erste Zahl ist jeweils meine Fröhlichkeit je nach Ausgang (ich bin glücklich mit dir beim Boxkampf, überglücklich beim gemeinsamen Ballettbesuch und vermisse dich, wenn ich alleine bin), und weil dein männliches Wesen ja eh vorhersehbarer ist, habe ich die zweiten Zahlen für dich gleich eingesetzt. :)
Nun der wirklich innovative Ansatz ist die völlige Absenz jeglicher Kommunikation: Wir brauchen kein einziges Wort zu wechseln, sondern lassen uns beide überraschen, wo der Andere wohl aufkreuzt!
Da wir ja im Laufe der Jahre immer wieder dem gleichen Konflikt begegnen werden, sieht die Game Theory drei langfristige Szenarien vor – wobei ich die Details hier ausser Acht lasse – :Nun, du denkst, das sei schon alles; doch diese Woche hat uns Professor Hafalir die höhere Kunst der guten Hausfrau gelehrt.
- du bist der dominante Teil der Beziehung, und ich finde mich zum wöchentlichen Boxkampf ein,
- du bist der feministische Traum und schläfst mitten in Schwanensee ein,
- ODER wir haben eine stabile, ausgewogene Beziehung und wählen doppelt so oft unsere Lieblingsvariante und konzentrieren uns bei den andern Gelegenheiten halt einfach auf den Enthusiasmus des andern.
In dieser neuen Situation, hast du gewisse Gemütsschwankungen, die ich absolut nicht nachvollziehen kann, welche aber von einem uns beiden bekannten Autor als "Gummibandeffekt" beschrieben wurden: Bist du in guter Stimmung, sehnst du dich wie bis anhin nach meiner Gesellschaft; doch kommt es vor, dass du an einem schlechten Tag einfach nur für dich alleine sein willst. Leider ist das für mich nicht immer vorhersehbar, doch im Laufe der Jahre habe ich erforscht, dass das ungefähr die Hälfte (!) der Zeit zutrifft. Natürlich brauchen wir immer noch nicht zu kommunizieren, und so kann ich nur raten, mit welcher Nutzen-Tabelle ich es heute zu tun habe.Da ich das ruhende Element dieser Beziehung bin, ändert sich an meiner Strategie nichts, in schlechter Stimmung wird jedoch ständig einer von uns beiden seine Entscheidung bereuen:In dieser Zwickmühle, in der ich mich befinde, bleibt mir nichts anderes übrig, als gemäss dem Erwartungswert meines Nutzens zu handeln. Du denkst, für dich sei die Sache einfacher, doch sei gewarnt, mein durchdachtes Handeln sollte auch deine Ortswahl beeinflussen oder du verlierst wertvolle Fröhlichkeitspunkte.
- Sind wir zusammen, hättest du dich lieber aus dem Staub gemacht, selbst wenn dir als Rückzugsort nur das Ballett geblieben wäre,
- sind wir jedoch getrennt, so wäre ich dir lieber nachgereist, selbst wenn dich das nur noch unglücklicher gemacht hätte. (Wir modeln hier ja treibende Marktkräfte, der Egoismus ist deshalb erklärbar.)
Glücklicherweise hat man das Rätsel für uns gelöst – es gibt doch tatsächlich eine Strategie, bei der wir im schlimmsten Fall resigniert einen ungemütlichen Abend verbringen; aber NIE mit dem mühsamen "Hätte ich doch nur.." leben müssen!
Ich weiss, du kannst die Antwort kaum erwarten, und will dich auch gar nicht mehr länger auf die Folter spannen:Unglaublich, nicht wahr? Diese Langzeit-Beständigkeitsregel haben wir in so manchen Beziehungen schon beobachtet, und nun haben wir es sogar mathematisch optimiert.
- Ich kaufe mir ein Saisonticket fürs Ballett und lasse all das Rätseln über deine elastischen Gemütszustände hinter mir.
- Du leistest mir Gesellschaft an guten Tagen, und trinkst ein Bier im Stadion an schlechten Tagen.
Vielleicht kommt es dann sogar vor, dass wir am Ende des Tages Lust haben, uns zu unterhalten – nicht, weil wir das für die Terminplanung benötigen wie mundäne Leute, sondern einfach so, zum blossen Vergnügen. Und dann wirst du mich sagen hören, in der Sprache des Herzens:
I liebe di, min Schatz!
– Michèle
6 Kommentare:
ciao bella!
dein liebesbrief ist super:) ich habe auch schon game theory besucht ond fand es sehr interessant (weshalb besuchst du dieses fach? ist das nicht vwl?)... wann bist du wieder in der schweiz?
big hug us bern, nina
Weil ich kann! :) Jo.... es ist schon ein bisschen ökonomisch, und man muss zuerst Microeconomics besucht haben. Doch ich habe einfach niemandem gesagt, was für eine Niete ich bin in Wirtschaft, und habe Mme Hess damit überzeugt, dass John Nash ja auch Mathematiker war. Da waren sie alle zufrieden. :)
Ich komme im Mai zurück, aber nur für kurz. Definitiv bin ich dann im September wieder in Lausanne. (Und in Bern dann bestimmt auch wieder einmal. :))
PS:
Liebster Schatz,
heute haben wir den Ansatz noch verfeinert, und beruecksichtigen nun auch meine wellenmaessigen Stimmungsschwankungen. Ich freue mich schon, diesen Vertiefungskurs in wenigen Wochen mit dir zu besprechen.
In Liebe,
Michele
Oh mein Schatz: Warum dieses Schweige...Warum diesen (S)Taubsdialog?
Wenn ich ein Gummiband wäre und du eine Welle, würden wir ewig Schwingen, mit unserem eigenen Resonanzfrequenz.
Du wirst fur immer die schönste Welle meines Schwagensees, auf die ich Surfen werde
...Und meiner Gummiband wird mir immer näher zu dir Aniziehen um den schönsten Tango zu tanzen!
Je t'aime, ma geek!
Marc
ps ahem... gemeinsam, pas eigen.
mon allemand est un peu rouillé.
bon bon, on fait ce qu'on peut:)
...et Schwannen, pas Schwagen...:)
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